Für viele gehört es in einem gewissen Maße zu Koptervideos dazu. Die meisten finden es nervig. Das Jello.
Rolling Shutter Effekt (Effekt des rollenden Verschlusses) ist bereits zu Zeiten des Zelluloid Films ein Problem gewesen. Wikipedia (siehe Link) erklärt es ganz gut.
Grob gesagt wird bei Verwendung eines Schlitzverschlusses, vor allem bei kurzen Verschlusszeiten das Bild nicht auf einmal belichtet, sondern nach und nach. Der Verschluss bildet einen je nach Belichtungszeit mehr oder weniger breiten Schlitz, der mit einer definierten Geschwindigkeit über das zu belichtende Filmmaterial wandert. So lässt sich die Lichtmenge kontrollieren, mit der das Film belichtet wird.
Diese Art des Vershlusses kann bei beweglichen Objekten oder bei Kameraschwenks allerdings problematisch sein. Wenn das Objekt sich während der Belichtung weiter bewegt hat, wird je nach Verschlussrichtung (z.B. von oben nach unten) das Objekt verzerrt dargestellt. Hier ein Beispiel aus Wikipedia:
Hier sieht man, dass das still stehende Publikum nicht verzerrt ist. Nur das Auto ist diagonal verzerrt. Der Schlitzverschluss wanderte von unten nach oben und hat das untere Teil der Räder früher belichtet als das obere Teil des Autos. 1922 wohlgemerkt.
Und jetzt sind wir wieder im Hier und Jetzt. Und Bäm! Die meisten CMOS Sensoren werden aus Kostenersparnis Zeile für Zeile ausgelesen, was genau das Gleiche macht wie ein Schlitzverschluss. Und das sind die Sensoren, die in unseren Fotoapparaten und Videokameras verbaut sind. Es gibt auch CMOS Sensoren mit globalem Readout und CCD Sensoren werden ebenfalls in der Regel global ausgelesen, aber na ja…
Das war die Erklärung für den Rolling Shutter Effekt. Und jetzt kommt Jello Effekt.
Hier ein absolut extremes Beispiel von Jello:
Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=BXqzyWj_z0E
Wieso übrigens einige „Jellow” schreiben weiß ich nicht. Es heißt „Pankow” und „Jello” und nicht „Panko” und „Jellow”. Jell‑O ist übrigens eine Marke von Gelatine-Götterspeisen von Mondelēz International. Und weil diese Gelatine-Produkte so wackeln heißt dieser Effekt so.
In dem englischen Wikipedia Artikel werden fünf Rolling Shutter Effekt Arten beschrieben:
- Wobble (Jello)
Wenn die Kamera wackelt, wackelt das Bild streifenweise. - Skew
Diagonale Verzerrung beim seitlichen Drehen der Kamera oder wenn ein Objekt sich schnell bewegt (siehe den ersten Teil des Artikels). - Wobble
Kann man bei Propellern sehen. Total lustig:
- Partial Exposure
Wenn der Blitz z.B. nicht lange genug leuchtet, kann er nur ein Teil des Bildes belichtet haben, bevor er erlischt. So langsam sind manchmal die Sensoren… Gibt es auch bei flackerndem Licht der Bildschirme oder bei Stroboskopen in der Disko. - Aliasing
Wieso die das erwähnen weiß ich auch nicht. Das wären z.B. Moiré Effekt und Ähnliches.
Wieso kommt es zu Jello und wieso hilft da manchmal ein Graufilter (Nezutral Density Filter = ND)?
Wenn die Kamera mit hoher Frequenz wackelt, kommt diese Wackelfrequenz in Bereiche, in denen der Sensor nicht hinterherkommt. Anstatt wie bei langsamen Wackeln jedes Bild einzeln leicht versetzt abzubilden (was für moderne Filterprogramme für die Videostabilisierung kein Problem ist), enstehen Videobilder, die in sich versetzte Bereiche enthalten. Das passiert, weil der Sensor nicht auf einmal ausgelesen wird. Diese versetzten Bereiche wandern durch das Bild und das ganze Bild vibriert quasi. Und das zu korrigieren ist sehr schwer. Das ist Jello.
Und wieso hilft oft ein ND (Neutral Density) Filter = Graufilter? Weil er der Kamera vorgaukelt, es wäre draußen dunkler und die Kamera die Belichtungszeit runtersetzt. GoPro hat ja keine Blende. Diese würde man ja sonst etwas schließen.
Da bei Videokameras ohne Verschluss belichtet wird, ändert sich mit der Belichtungszeit die Geschwindigkeit, mit der der Sensor ausgelesen wird. Oder es wird mehrmals ausgelesen? Was weiß ich. Jedenfalls verlängert man die Belichtungszeit und damit die Art und Weise, wie der Sensor abgelesen wird.
Wenn wir jetzt wieder zurück zu unserem Schlitzverschluss gehen, bräuchten wir die X‑Sync Belichtungszeit oder darüber. Also die Belichtungszeit, bei der der Verschluss keinen Schlitz bildet, sondern für einen Moment vollständig offen ist. Das ist bei normalen Verschlüssen meist so ca. 1⁄125 sek. Wenn man mit dieser Verschlusszeit ein schnell vorbeifahrendes Auto fotografiert, entsteht kein Rolling Shutter effekt. Aber das Auto ist etwas verschwommen. Man müsste entweder nachziehen, oder sich was anderes überlegen.
Wieder auf die am Kopter wackelnde GoPro übertragen riskieren wir mit einem ND Filter verwackelte, unscharfe Einzelbilder in unserem Video. Und das passiert auch oft. Manchmal erwischt man natürlich einen Sweet Spot, in dem der Rolling Shutter Effekt gerade nicht mehr sichtbar ist, aber die Verwacklung (die da sein müsste) noch nicht so dramatisch ist.
Aber eigentlich ist das alles nicht gut. Es ist alles ein Glücksspiel mit diesen Filtern. Die Kamera sollte einfach nicht hochfrequent schwingen. Wenn sie das tut, ist was verkehrt. Propeller nicht gewuchtet, Entkopplungsgummis falsch gewählt, etc.
Die Auslesegeschwindigkeit der GoPro ist wirklich sehr gut und es ist durch ein Paar einfache Maßnahmen möglich, den Rolling Shutter Effekt zu vermeiden. Z.B. kann man Ohropax in die Entkoppler stecken (sie sind ja hohl), um ihre Steifigkeit zu erhöhen. Weitere Maßnahmen: Siehe unten.
Oder man konzentriert sich als Filmer und auch als Betrachter auf das, was gezeigt wird. Man kann sagen, Jello gehört zum lebendigen Koptervideo wie die Propeller im Bild einfach dazu. Und sich nicht weiter um den Rolling Shutter Effekt kümmern. Zumal er bei einem normal funktionierendem Kopter, der nicht droht auseinander zu fallen, eh nicht so dramatisch sein kann.
Andererseits ist insbesondere Jello deswegen ein Problem, weil das gesamte Bild in Bewegung ist. Die menschliche Wahrnehmung ist so, dass wir auf Bewegungen im peripheren Sichtfeld reagieren und dorthin fokussieren. Wenn man sich ein derart verdorbenes Video auf einem größeren Bildschirm anschaut, kriegt das Gehirn laufend Input „Guck dahin! Jetzt andere Ecke! Da bewegt sich auch was!” und der Blick springt chaotisch, anstatt die üblichen gezielten Sakkadensprünge zu den relevanten Bildinhalten durchzuführen.
Das passiert alles unterbewusst und macht sich nur insofern bemerkbar, dass man das Betrachten als besonders anstrengend empfindet und man sich nicht so lange konzentrieren kann. Das ist bei längeren Videos eher ausschlaggebend, als bei einem kurzgeschnittenem Rundflug. Also kann kann man das bei kurzen Videos ehr ignorieren als bei langen. Und als perfekt kann man ein Video mit Jello leider auch nicht bezeichnen.
Wer seine Videos gerne nachbearbeitet, wird durch Rolling Shutter ebenfalls schnell frustriert. Sobald es ansatzweise Richung VFX geht oder Filter eingesetzt werden, die über den Zeitverlauf arbeiten, wird es eine Frickelei sondergleichen.
Deswegen gilt es für ambitionierte Filmer, das Jello nach Möglichkeit zu vermeiden. Durch:
- Wuchten der Propeller und der Motoren
- Dynamisches Wuchten der Motor-Propeller Kombination im montierten Zustand (achtung, gefährlich)
- Anpassen der Dämpfer am Gimbal, z.B. durch Ersetzen mit einer anderen Steifigkeitsstufe oder reinsetzen von Ohropax in die Löcher
- Platzieren des Gimbals an einer dynamisch gelagerten, beschwerten Platte wie bei der Dämpfungsplatte von David Windestal
- Verändern der Belichtung der Kamera, z.B. mit einem ND oder einem Polarisationsfilter, der ebenfalls 1 – 2 EV Stufen wegnimmt
- Einstellen einer höheren Bildwiederholungsrate an der Kamera
Da die Vibrationen, die zu Jello führen immer sehr verschieden sind und die Belichtung auch von dem verfügbaren Licht an der Fluglocation abhängt, ist es nicht einfach vorherzusehen, wann Jello entsteht und wann nicht. Deshalb sollte man bei wichtigen Drehs immer eine kurze Sequenz zur Probe machen und diese dann an einem Notebook in voller Auflösung ansehen um die Qualität gut beurteilen zu können.
Es ist wichtig, zum einen die Vibrationen so weit wie möglich zu reduzieren und zum anderen eine Kamera zu haben, bei der man die Framerate (Anzahl der Bilder pro Sekunde) einstellen kann. Manchmal geht Jello bei einer anderen Einstellung weg. GoPro ist in dieser Hinsicht eine gute Wahl.
interessante erklärungen! thx.
allerdings: das alte autobild ist sensationell eben WEGEN dieses Y. man SIEHT direkt die geschwindigkeit. wäre das nicht wärs halt ein altes autorennphoto wies zu tausenden gibt.
auch das tricoptervideo so es original und nciht verfälscht ist gefällt mir sehr die sichtweise eines außerirdischen. ich weiß das.
und zuletzt das propellerflugzeug.….. das waren halt noch zeiten als noch kein viagra in das kerosin gemischt wurde, da konnte das schon mal vorkommen.…… wie sich mancher noch dunkel erinnern kann.
so long, alf
Wow! Man sieht sofort, dass du kreativ und unkonventionell denkst.
Für viele Fotografen und Filmer bedeuten diese Effekte, dass das Material unbrauchbar ist.
Du als Experimentalfilmer findest das gerade gut.
Ich denke, der Kontext bestimmt hier wie so oft die Spielregeln.
Danke für deinen tollen Beitrag und für deine unterhaltsamen Videos!
Wow super Arbeit. Danke für die ganze Mühe.
Ein Bild erzählt mehr als tausend Worte. – Hier ist es anders rum.
Alles nur eine Frage der Perspektive.
Gruß